Einleitung:
Mit der ersten Folge des Podcasts „TalentTagebuch: Echte Geschichten aus dem HR-Alltag“ gibt Dr. Simon Kentsch Einblicke in die Herausforderungen und Lösungsansätze der modernen Rekrutierung. In einem offenen Gespräch teilt er wertvolle Erfahrungen aus seiner Praxis und beleuchtet, wie Unternehmen den heutigen Anforderungen des Bewerbermarktes begegnen können.
Interview mit Dr. Simon Kentsch
Frage: Simon, was hat dich dazu gebracht, diese Gespräche jetzt aufzuzeichnen?
Dr. Simon Kentsch: „Ja, absolut. Wir haben ja schon oft darüber gesprochen, dass unsere Diskussionen immer wieder interessante Impulse bieten, die auch für andere hilfreich sein könnten. Es ist spannend, wie wir von einem Thema zum nächsten kommen und was sich daraus entwickelt. Diese Woche ging es bei mir viel um die Herausforderungen rund um Bewerber – das ist aktuell echt kurios.“
Frage: Was genau beschäftigt dich bei den Bewerbern im Moment?
Dr. Simon Kentsch: „Ein Highlight ist definitiv das sogenannte „Ghosting“, das mittlerweile fast alle Recruiter kennen. Was mich jedoch am meisten überrascht, ist, dass viele Kandidaten sich anscheinend wenig Gedanken über die Chancen machen, die sie bekommen. Man investiert viel Zeit, stellt ihnen das Unternehmen vor, verschickt Lebensläufe, legt Termine fest – und dann, kurz vor dem Interview, kommt die Absage, weil das Interesse plötzlich doch nicht da ist. Ich frage mich dann oft, wie wir diesen Prozess optimieren können.“
Frage: Das klingt erstmal unverständlich. Wenn ich mich wo bewerbe, mache ich mir doch vorher Gedanken, oder?
Dr. Simon Kentsch: „Genau, das würde man denken! Ich glaube, viele Unternehmen und auch ich selbst sind darüber oft verwundert. Es wirkt, als wäre der Bewerbungsprozess heute ein lockeres „Austesten“. Es gibt einfach ein riesiges Angebot an Stellen, was dazu führt, dass manche Kandidaten gar nicht wirklich prüfen, ob die Position passt. Sie wissen, dass es immer eine Alternative geben wird. Dadurch fehlt manchmal die Wertschätzung für die investierte Zeit.“
Frage: Denkst du, die Arbeitgeber tragen dazu bei, dass Bewerber schnell „weiterziehen“?
Dr. Simon Kentsch: „Ja und nein. Natürlich wünschen sich Arbeitgeber eine solide Erfahrung, aber wir haben heutzutage eine Generation, die oft bestens ausgebildet ist. Was Unternehmen zunehmend schätzen, sind Werte wie Zuverlässigkeit und Offenheit. Ein Kandidat, der ehrlich sagt, dass er sich noch in einem anderen Prozess befindet, hinterlässt einen besseren Eindruck als jemand, der einfach abspringt. Die Zeiten, in denen Zeugnisse und ein lückenloser Lebenslauf allein zählten, sind definitiv vorbei. Es geht jetzt viel mehr um das Persönliche und langfristige Loyalität.“
Frage: Wie reagiert ihr, wenn ein Kandidat kurz vor dem Interview abspringt?
Dr. Simon Kentsch: „Natürlich ist das erstmal frustrierend, vor allem für Führungskräfte, die ihre Zeit eingeplant hatten. Wir versuchen jedoch immer zu moderieren, das Gespräch noch zu retten. Wenn es einen persönlichen Grund gibt, dann arrangieren wir oft einen neuen Termin. Aber manchmal klappt es eben doch nicht – dann hilft nur, aus der Erfahrung zu lernen.“
Frage: Hast du eine Methode, um die Eignung von Kandidaten besser einzuschätzen?
Dr. Simon Kentsch: „Ja, wir versuchen, den Prozess individuell zu gestalten. Wenn bei einem Kandidaten Zweifel bestehen, arrangieren wir z. B. ein lockeres Treffen mit dem Team. Es geht darum, das volle Potenzial eines Kandidaten zu sehen, auch wenn er im ersten Gespräch nervös ist. Manchmal entdecken wir dadurch echtes Talent, das sonst vielleicht übersehen worden wäre.“
Frage: Das klingt, als ob ihr den Prozess oft anpasst.
Dr. Simon Kentsch: „Genau. Jeder Kandidat und jede Führungskraft sind anders. Wir schauen, wie wir den besten Eindruck gewinnen können, sei es durch ein zweites Gespräch, ein Treffen mit dem Team oder ein kleines Assessment. Es geht uns darum, Entscheidungen auf einer breiten Basis zu treffen – letztlich für eine langfristige Zusammenarbeit.“